In vielen Berufen werden heutzutage nicht mehr Stundenlöhne vereinbart, sondern feste Gehälter pro Monat und Jahr. Entsprechend ist die Zeiterfassung nicht mehr relevant für die Buchhaltung, weil sich das Gehalt nicht mehr nach den tatsächlich geleisteten Stunden richtet.
Vor diesem Hintergrund gehen immer mehr Arbeitgeber noch einen Schritt weiter und setzen auf Vertrauensarbeitszeit. Dies macht eine individuelle Zeiterfassung endgültig unnötig.
Vertrauensarbeitszeit: Das steckt dahinter
Arbeitgeber, die ihren Angestellten eine Vertrauensarbeitszeit einräumen, haben weniger ein Interesse daran, dass ihre Arbeitskräfte möglichst viel Zeit im Unternehmen verbringen, als daran, dass die anstehende Arbeit möglichst effizient erledigt wird. Gerade bei Stellen, die ein hohes Maß an Qualifikation verlangen, wissen hier die Arbeitnehmer oft deutlich besser, welche Zeit sie für ein bestimmtes Projekt benötigen, als ihre Vorgesetzten.
Deshalb setzen Arbeitszeitmodelle mit Vertrauensarbeitszeit darauf, dass mit den Angestellten Vereinbarungen darüber getroffen werden, bis wann bestimmte Aufgaben erledigt werden. Nach einer gemeinsamen Erörterung wird eine Zielvereinbarung getroffen. Diese legt fest, welche Aufgaben bis zu welchem Zeitpunkt erledigt werden müssen. Dies geschieht auf Grundlage der vom Arbeitnehmer laut Vertrag geschuldeten Arbeitszeit. Innerhalb der Frist für das Projekt ist der Arbeitnehmer nun frei, seine Arbeitszeit selber einzuteilen. Auf diese Weise wird er deutlich freier in der Einteilung seiner Zeiten.
Das Arbeitszeitgesetz gilt weiterhin
Allerdings stellen Arbeitszeitmodelle mit Vertrauensarbeitszeit keinen Freibrief für den Arbeitgeber dar, was dessen Pflicht zur Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen betrifft. Hierunter fallen auch die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Arbeitnehmern ist daher nicht freigestellt, an bestimmten Tagen zwölf Stunden und mehr zu arbeiten und dafür an anderen Tagen zuhause zu bleiben. Bei dringenden Projekten kann eine entsprechende Erhöhung der Arbeitszeit vereinbart werden. Im Regelfall greifen jedoch die gesetzlichen Regelungen.
Für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ist der Arbeitgeber auch im Rahmen der Arbeitszeitmodelle zur Vertrauensarbeitszeit verantwortlich. Insofern mindern Arbeitszeitmodelle dieser Art zwar den organisatorischen Aufwand bei der Zeiterfassung, aber schaffen ihn nicht vollkommen aus der Welt. Denn wenn es aufgrund zu langer Arbeitszeiten zu Unfällen kommt, ist man als Arbeitgeber auch im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit in der Haftung.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Arbeitszeitmodelle auf Vertrauensbasis müssen daher folgende Grenzen zwingend einhalten:
Pro Werktag beträgt die zulässige Höchstarbeitszeit zehn Stunden zzgl. Pausen. Wöchentlich darf die Arbeitszeit bis zu 48 Stunden betragen. Die Einhaltung dieser Grenzen ist durch Berechnung des Durchschnitts für einen Abschnitt von einem halben Jahr zu überprüfen. Phasenweise kann die Arbeitszeit daher höher sein, wenn in anderen Abschnitten entsprechend weniger gearbeitet wird. Für die Hochzeiten gilt eine absolute maximale Grenze von 60 Arbeitsstunden pro Woche. In diesen Ausnahmefällen darf dann jedoch die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als zehn Stunden betragen (§ 3 S. 2 ArbZG).
Weiterhin sind die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten auch bei Arbeitszeitmodellen auf Vertrauensbasis einzuhalten.
Spätestens nach sechs Stunden Arbeit ist eine Pause von 30 Minuten zu nehmen. Beträgt die gesamte Arbeitszeit neun Stunden oder mehr, erhöht sich die gesetzlich vorgeschriebene Pausenzeit auf 45 Minuten. Diese Pausen müssen nicht notwendigerweise am Stück genommen werden. Es sind auch zwei oder drei Pausen mit einer Länge von je 15 Minuten möglich. Wichtig ist außerdem die Beachtung spezieller Regelungen für Jugendliche und Schwangere.
Weiterhin schreibt § 5 ArbZG eine zwingende Ruhephase von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen vor. Die Einhaltung dieser Zeiten im Rahmen der Arbeitszeitmodelle zur Vertrauensarbeitszeit lässt sich für Arbeitgeber dadurch gewährleisten, dass der früheste Arbeitsbeginn und das späteste Arbeitsende so festgelegt werden, dass immer eine Ruhephase von mindestens elf Stunden gegeben ist.
Kritik an Arbeitszeiten auf Vertrauensbasis
Vertrauensarbeitszeit bietet sich aufgrund der flexibleren Strukturen natürlich nicht für jeden Beruf an. Sind feste Präsenzzeiten nötig, wie z. B. bei vielen Jobs im Gesundheitswesen, ist die Vertrauensarbeitszeit weniger gut geeignet als zum Beispiel in Marketing-Agenturen und bei der projektbasierten Arbeit. Eine vereinbarte Vertrauensarbeitszeit findet sich übrigens häufig bei Jobs in Führungspositionen wie Abteilungsleiter oder auch der Geschäftsführung.
Nicht immer erfolgt die Vereinbarung konkreter Ziele für bestimmte Zeiträume dabei in der Weise, wie es oben dargestellt wurde. Die Folge ist, dass Arbeitnehmer sich verpflichtet fühlen, mindestens die laut Vertrag geschuldete Arbeitszeit zu arbeiten. Gerade bei Jobs in kaufmännischen Berufen. Die gegenseitige Kontrolle der Angestellten führt dann häufig zu einer Anhäufung unbezahlter Überstunden, was wiederum abträglich für den Betriebsfrieden ist.
Doch selbst wenn regelmäßig Zielvereinbarungen getroffen werden führen diese häufig dazu, dass Arbeitszeit immer effizienter genutzt wird und es zu einer Selbstausbeutung der Beschäftigten kommt, die ihr Arbeitstempo immer weiter steigern. Die hieraus resultierende Überlastung macht sich nachträglich sowohl im Hinblick auf die Qualität der Arbeit als auch in Bezug auf die Gesundheit der Angestellten bemerkbar. Deshalb kommt es bei Modellen dieser Art entscheidend darauf an, von Arbeitgeber gute Rahmenbedingungen für eine vernünftige Ausgestaltung solcher Arbeitszeitmodelle zu schaffen.
Ende der Vertrauensarbeitszeit nach EuGH-Urteil?
So sieht das übrigens auch der Europäische Gerichtshof (EuGH). Nach einer Klage einer spanischen Gewerkschaft gegen die Deutsche Bank, um zu erreichen, dass die Arbeitszeit der Angestellten dokumentiert wird entschied dieser zugunsten der Gewerkschaft. Zur Folge hat dies, dass nach dem EuGH-Urteil zukünftig die gesamte Arbeitszeit erfasst werden muss.
Das bedeutet zwar nicht unbedingt die Stechuhr für alle, aber das Telefonat mit dem Chef nach Feierabend, die dienstliche Email beim Frühstückskaffee oder die kurze Bearbeitung einer dringend Angelegenheit abends auf dem Sofa, all das soll künftig als Arbeitszeit erfasst und abgerechnet werden. Grundsätzlich ist zum Beispiel auch eine flexible Erfassung per App möglich, allerdings befürchten schon jetzt viele Arbeitgeber deutlich mehr Bürokratie und das vorläufige Ende der Vertrauensarbeitszeit.
Eine Frist zur Umsetzung des Urteils hat der EuGH nicht vorgegeben. Jedoch ist klar, dass die deutsche Bundesregierung, sprich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gefordert ist, die Vorgaben umzusetzen.
Bildnachweis: ohne Lizenz, Pixabay